Sternenglanz

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Sternenglanz

(Diese Geschichte wird meist jungen Zwergen oder Kindern erzählt, die das Prinzip des zwergischen Handwerks nicht verstehen wollen. Aber man kann sie ebenso in den Tavernen tief in den Zwergenreichen Balapurs ab und zu hören, wenn gaaaanz alte Zwerge eine junge Zuhörerschaft haben.)


Der Vater hielt seinen kleinen Sohn an der Hand und führte ihn durch unzählige Gänge und Tunnel. Der Junge war sehr aufgeregt, denn als er seinen Vater fragte wohin sie denn gehen würden, antworte dieser „Zu einem Platz voll natürlicher Schönheit.“ Der Kleine sah sich immer wieder um und erkannte, dass er schon lange die Orientierung verloren hatte. So weit weg von Zuhause war er noch nie gewesen und er hatte das Gefühl, dass sie immer weiter nach oben gehen. Vielleicht gar bis zum Gipfel?

Dieser Gedanke entfachte eine erneute Nervosität in dem Bengel.

Nachdem viele Stunden vergangen waren, bog der Vater in einen unscheinbaren Tunnel ein. Schon nach wenigen Metern konnte der Junge erkennen, dass dieser Tunnel nur sehr grob und flüchtig aus dem Berg gehauen war, der typische Gang, um neue Gebiete erst mal auszukundschaften. Je tiefer die beiden in den Gang gingen, desto niedriger wurde dieser, bis der Vater auf allen Vieren die letzten Meter kriechen musste, der Junge jedoch immer noch aufrecht durchgehen konnte. Sie kamen in eine Höhle, groß von den Ausmaßen her und doch ... der Junge konnte es sogleich erkennen, diese Höhle war natürlichen Ursprungs. Niemand hat hier jemals ein Werkzeug benutzt. Dann erkannte er, dass noch viele andere seines Volkes sich in der Höhle befanden. Einige wenige sehr alte Zwerge, die ruhig und gelassen nach oben schauten. Ein paar einzelne Zwerge in dem Alter seines Vaters aber die meisten waren Eltern mit ihren Jüngsten. Der Junge fragte „Vater, was ...?“ aber sein Vater hob die Hand und deutete nach oben. Der Junge folgte der Geste seines Vaters und entdeckte an der Decke der Höhle einen sehr schmalen Riss im Felsen, durch den langsam ein schwaches Leuchten in die Höhle drang. Und der Junge staunte nicht schlecht: Je mehr dieses schwache Leuchten zunahm, desto mehr flackerte es überall an der Decke und den Wänden schwach auf. Unzählige flackernde Lichtpunkte in allen möglichen und ein paar unmöglichen Farben erfüllten die Höhle mit einem sanften Licht.

Der Vater sprach Leise in die fast laute Stille „Dieser Ort heißt ‚Sternenglanz’.“ Er sprach dies ehrfürchtig aus und der Junge erkannte, dass dies etwas sehr besonderes ist, denn sein Vater sprach so nur wenn er von seinem Gott redete.

Der Vater fuhr leise weiter fort „Dies sind alles Edelsteine, manchmal nur einer, manchmal drei oder mehr verschiedene an einem Ort. Unglaublich klein und unendlich perfekt geschliffen, so dass sie nur in den Positionen in denen sie sich jetzt befinden auch das schwache Sternenlicht auffangen und wiedergeben können, so dass es hier unter der Erde so aussieht, als ob man in einer sternenklaren Nacht auf der Oberfläche wandelt. Diese Höhle ist schon seit Anbeginn der Zeit hier. Unsere Vorfahren haben sie entdeckt, als sie den Berg zu ihrer Heimat machten. Damals war die Kunst unseres Volkes noch größer als es jetzt der Fall ist, damals fehlte noch kein Wissen. Aber selbst die ältesten und besten Edelsteinschleifer konnten sich nicht auch nur Ansatzweise an diesen Perfekten Juwelen messen. Und die besten Bergwerker bestätigten, dass dieser Ort erschaffen wurde als unser Gott den Berg im Ganzen erschuf. Du musst wissen, mein Sohn, wir fühlen uns zu den Sternen hingezogen, denn es heißt: Als Gott die Welt erschuf kamen die Berge in der Nacht an die Reihe. Die Sterne leuchteten sanft und Gott fing ihr Leuchten ein und vermischte es mit den Bergen. So entstanden alle Edelsteine.“

Der Junge staunte mit weit aufgerissenen Augen. Das wusste er alles nicht.

Der Vater lächelte „Alle Zwerge sind sich einig, damals wie heute: Dieser Ort wurde von Gott erschaffen um ihn und UNS an die Zeit der Schöpfung zu erinnern und damit wir die natürliche Schönheit in einem jedem Ding oder Ort sehen, verstehen und erhalten.“

Der Junge nickte wie verzaubert.

Das nächste das er bewusst wieder wahrnahm war die Tatsache, dass er sich wieder Zuhause in seinem Heim befand. Aber dieser Anblick, dieses Gefühl, das ‚Sternenglanz’ ihm gab, verließ in nie mehr.

Die Jahre verstrichen und der Junge wuchs zu einem Jungen Mann heran aber keinen Zeitpunkt in dem ‚Sternenglanz’ seine wahre Pracht entfaltete verpasste er. Nur einmal im Monat, zu einer bestimmten Zeit, war dies der Fall aber er verpasste keinen einzigen von ihnen. Aber noch etwas rührte sich in ihm. Eine Art Besessenheit die ihm dieser Anblick verschaffte. Und Neid .... Gier. Schließlich .... eines Tages hielt er es nicht mehr aus. Er wanderte zu der Höhle. Er wusste, dass der nächste Zeitpunkt erst in sieben Tagen wieder wäre und deswegen konnte er sich sicher sein, dass sich dort kein Mitglied seines Volkes aufhalten würde. Er sah sich um und kletterte geschickt zu einem der kleinsten Edelsteine an der Wand hinauf. Zu seinem erstaunen benötigte er nicht einmal Werkzeug, da der Edelstein nur durch eine bloße Berührung mit seiner Hand sich löste. Er lächelte und steckte ihn in die tiefste seiner Taschen. Sieben Tage später ging er, wie jeden Monat, erneut zu der Höhle und wartete mit vielen anderen auf den wundervollen Anblick. Doch nichts geschah. Sie warteten Stunden über Stunden. Aber nichts rührte sich. Die alten Zwerge blickten sich stumm und traurig um. Die jüngsten hatten Tränen in den Augen und die älteren einen Blick von Verzweiflung.

Und da wusste er, dass er Schuld an allem hatte. Er schämte sich und lief nach Hause zurück. Sein Vater hatte gehört was geschehen war, oder besser, was nicht geschehen war. Und er sah wie sein Sohn reagierte. Aber er sagte kein Wort.

Der Junge Mann indes wollte seinen Fehler wieder gutmachen. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte den kleinen Edelstein wieder dort einsetzen zu wollen. Selbst wenn er irgendwie halten würde, welche der unzähligen Positionen wäre die Richtige? Er schämte sich ob seiner Tat und es grämte ihn, dass er seinem Volk und sich dieser Schönheit beraubt hatte. So stürzte er sich in das Studium der verlorenen Künste und bald darauf in die Arbeit. Er zog sich immer weiter in sich zurück und nicht einmal sein Vater sah ihn noch oft. Die Jahre verstrichen und der Junge Mann wuchs zu einem stattlichen Mann heran der eine außergewöhnliche Kunstfertigkeit an den Tag legte. Er stellte aus allen möglichen Materialien die verschiedensten Gegenstände her. Er zwang Granit in eine Form die ihm gefiel genauso wie er es mit Holz oder Eisen machte. Und jeder Gegenstand den er herstellte war schöner und wundervoller als der vorangegangene. Aber nach jedem Gegenstand verließ ihn mehr und mehr sein Lebenswille vor Gram, denn er selber maß all sein tun und können an dem ‚Sternenglanz’ und nichts konnte diese Schönheit erreichen.

Eines Tages lag sein Vater im Sterben, die Esse seines Lebens glühte nur noch Schwach und kein Holz konnte das Glimmen noch zu einem Feuer auflodern lassen. Der Mann kniete an dem Lager seines Vaters und hielt seine Hand. Der Vater sprach leise „Du bist der beste aller Handwerker. Du hast viele der verlorenen Kunstfertigkeiten wiedererlangt aber dennoch bist du nicht glücklich.“ Der Mann nickte „Oh Vater, ich habe schreckliches getan.“

„Ich weiß“, erwiderte der Vater mit einem milden Lächeln. „Ich wusste es von Anfang an aber ich dachte ich hätte dich besser erzogen als das du dich von mir abwendest.“

Der Mann schluckte „Du hättest es mir niemals verzeihen können.“

„Vielleicht. Aber ich hätte dir helfen können. Du fertigst die schönsten und wundervollsten Dinge. Aber du tust dies blind. Öffne deine Augen und sehe. Bevor du einen Stein oder ein Stück Eisen oder was auch immer bearbeitest, sieh es dir an, fühle es. Nimm seine natürliche Schönheit in dir auf und dann wirst du erkennen was du tun musst. Denk an ‚Sternenglanz’. Und an das was du zerstört hast. Nichts anderes hast du mit einem jeden deiner Gegenstände gemacht.“

Und da endlich begriff der Mann. Er sah zu seinem Vater, wollte ihm danken, aber es war zu spät. Der alte Zwerg hatte für immer seine Augen geschlossen.

Der Mann sackte in sich zusammen, sein ganzes Leben vertan. Er spürte das es auch mit ihm zu ende ging. Selbst der störrischste Zwerg fällt irgendwann tot um, wenn er merkt, dass der Wille, der ihn antreibt schon lange nicht mehr Vorhanden ist. Aber noch hatte er Zeit. Nur ein wenig, aber es sollte reichen. Er rappelte sich auf, sah noch einmal auf seinen leblosen Vater runter und eilte dann in seine Werkstatt. Dort angekommen nahm er einen Eisenblock und sah ihn an, streichelte ihn beinahe, versank in ihn ... fühlte ihn. Dann lächelte er. Er wies seinen Gehilfen an die Esse zu schüren und ließ sich einzig aus dem Gefühl heraus leiten. Nach vielen Stunden Arbeit hielt er lächelnd das Ergebnis vor sich: einen einfachen, vollkommen unverzierten Dolch.

Aber als er ihn ansah, da fühlte er, dass es der Wunsch des Eisens war, diese Form anzunehmen. Er hat nur der natürlichen Schönheit zu einer ausdrucksstarken Form verholfen. Er sackte auf die Knie und hielt noch immer den einfachen Dolch vor sich. Er dankte seinem Vater, dann fiel er zur Seite ... tot.


Der Zugang zur Höhle ‚Sternenglanz’ wurde zugeschüttet und die besten Steinmetze und Stuckateure verbargen den Eingang so gut, dass ihn bis heute nie wieder jemand gefunden hat.

Der einfache Dolch kam in die Haupthalle des Reiches. Er wurde in unvergänglichen Bernstein gegossen und im Zentrum des großen Platzes aufgestellt.

Und jeder Zwerg der kam um den einfachen Dolch zu betrachten war der unerschütterlichen Überzeugung, das er das beste und schönste Stück zwergischer Handwerkskunst vor sich hatte.