Die verlorenen Jahre

Voller Zorn und Wut nahm SIE die Stadt Ahinjamuhr und riss sie vom Angesicht der Erde. Und mit ihr alle Aijnan, die sich in der Stadt befanden. SIE schleuderte die Stadt weit in das Weltenmeer und darüber hinaus.

Zurück blieben die Reiter in der Steppe. Und sie weinten.

Zurück blieben die Unbeugsamen unter dem Berg. Und sie grollten.

Zurück blieben die Schönen der Küste. Und sie trauerten.

Denn SIE entriss dem Land nicht nur Ahinjamuhr und die Aijnan, sondern die Quelle IHRER Liebe in Thrumumbahr. Fortan war sie versiegt.
Doch Ahinjamuhr war nicht verloren. Mitten auf einer fremden Welt, in einer Wüste, erschien die Stadt von jeglichem Leben darum herum unbemerkt. Die Aijnan, tief getroffen und voller Schmerz, wandelten ihre Gefühle in Wut und Zorn. Sie beschuldigten sich gegenseitig, machten den anderen dafür verantwortlich, das der Seelenschlag sie traf. Niemand suchte nach dem wahren Grund.
Die Frauen der Weisheit trauerten für lange Zeit, und so geschah es, dass es niemanden gab, der die Zersplitterung der Aijnan in die 12 Stämme verhindern konnte. In alle Richtungen zogen die Stämme, verließen die Stadt, die einst ihre Heimat war. Und sie vergaßen mit der Zeit ihren Namen und nannten sie nur noch die Verfluchte.
Ohne Bestimmung, nur das Ziel vor Augen, das Leben schenkende Nass zu finden, irrte das zerstörte Volk der Aijnan durch die fremde Wüste und bekriegte sich gegenseitig. Die lebensfeindliche Umgebung und die unsinnigen Kriege forderten zahllose Aijnanleben. Bis endlich die Frauen der Weisheit sich besannen und über die 12 Stämme hinweg Regeln aufstellten, die zukünftig das Leben der Aijnan bestimmen sollten. Die Weise Sheiwia führte sie bei diesem gewagten und mutigen Weg an. Ihr folgten die anderen Frauen der Weisheit und endlich herrschte Frieden. Nur um das Wasser wurde noch gekämpft, aber der Hass, das Misstrauen, die Vorwürfe versiegten.
Jahrhunderte überdauerte dieser Frieden untereinander.

Außerhalb der Wüste aber, der neuen Heimat der Aijnan, gingen Gerüchte umher, das ein Volk voller Grausamkeit jeden jagte, der es wagte ihr Reich des ewigen Sandes zu betreten. Einzig Händler wurden geachtet, und ihnen wurde freies Geleit zugesichert. Jene aber die versklavten, die Freiheit raubten, die wurden ohne Gnade gejagt und zur Abschreckung für andere am Rande der Wüste liegen gelassen, als Fraß für das Getier.
In dieser Zeit blühte das zerstörte Volk auf, wurde zahlreicher und herrschte ungebrochen über das Land ohne Wasser.

Eines Tages kam ein Mann. Er wurde der Führer des größten und mächtigsten Clans. Und mit ihm kam erneut der Hass. Durch Intrigen und Lügen, ja Lügen, gelang es ihm, viele Stämme zu einen, um einen einzigen Stamm zu vernichten. Und wieder brach Krieg aus, aus jenen niederen Gründen, die schon einmal das Verhängnis der Aijnan waren. Der Krieg dauerte lange und war unerbittlich. Der kleine Stamm wurde kleiner und kleiner und konnte sich gegen die anderen nicht behaupten. Als der Häuptling des kleinen Stammes dahinschied, übernahm dessen Sohn die Führung. Und alles änderte sich.
Er war ein Mann des Friedens, Madhar war sein Name. Und er überzeugte die anderen Stämme, dass sein Stamm nicht das Übel war. Die Häuptlinge der Clans sahen und hörten, dass er wahr sprach. Einzig der Verblendete, seiner Verbündeten beraubt, sann weiter auf Zerstörung und führte den Krieg weiter, den er auch leicht gewinnen könnte, denn Madhars Männer und Frauen waren nur noch wenige an der Zahl.

Zu der Zeit des Krieges, als fast alle Hoffnung auf ein Überleben starb, sandte der verlorene Stamm immer wieder Sucher in die Welt hinaus, auf der Suche nach dem Heilsbringer der ersten und größten Prophezeiung. Es würde der Tag kommen, dass der Eine erscheint, um die Aijnan wieder zu einen und aus der Wüste in ein gesegnetes Land zu führen.
Viele Sucher gingen und kamen nie wieder. Zur Zeit Madhars wurden weniger Sucher geschickt, denn die Hoffnung war nur mehr blanker Hohn und der Glauben schwand. Und doch gab es einen, der von Kindheit an ein Held des kleinen Stammes gewesen war und der ausgesandt wurde. Nach vielen Jahren der Suche kam er wieder in seine Heimat, zu seinem Stamm, zurück. Moad war sein Name, der Sohn Madhars, der mit einem Knaben in die Wüste kam. Der Eine ward gefunden, und der Eine war Elethan. Er war der, der uns die Erlösung bringen sollte.

Doch der Krieg ging weiter, und viele Kämpfe wurden ausgefochten. Der Held Moad wurde zur lebenden Legende, doch auch beim Gegner gab es einen, dessen Name immer wieder genannt wurde: Diam. Und der Moads größter Widersacher wurde.
Niemand glaubte damals daran, dass der Knabe Elethan der Eine wäre. Das er der war, was die Frauen der Weisheit behaupteten. Einzig wer ihn sah, mit ihm sprach, wurde der Wahrheit gewahr.

In jener Zeit zog der Schatten über die Lande, und der Krieg machte eine Atempause. Madhar wurde schließlich vom Schatten genommen, und sein jüngster Sohn Somiad folgte ihm als Häuptling. Bei jener Zeremonie, als in der ganzen Wüste Frieden ausgerufen war, standen sich das erste Mal die Helden der beiden Seiten gegenüber. Und es kam wie es kommen musste. Diam bezwang Moad im Kampf. Doch die Göttin hielt ihre Hände über Moad und er starb nicht. Diams Vater aber, der verblendete Häuptling, sah seine Zeit gekommen, um dem verhassten Stamm endlich den Todesstoß zu versetzen. Diam jedoch wurde Elethan gewahr. Und er erkannte die Wahrheit. Doch Diams Vater wollte nicht zuhören und so rüstete er wieder für den Krieg.

Es geschah jedoch, das Bendhia und der Knabe Elethan die alte Stadt, die Verfluchte, aufsuchten, und erneut erfüllte sich eine Prophezeiung. Es wurde offenbar, das jene zerstörte Stadt die Heimat der Stämme war und das IHR Hauch dort noch immer lebte. Und Elethan, der Knabe, führte den kleinen Stamm in die Stadt. Weder der Schatten, noch die Wüste konnten ihn daran hindern, und auf dem Wege dorthin, kam Diam, der seinen Vater bezwang und selbst das Oberhaupt des Clans wurde, mit allen seines Stammes, um Elethan zu helfen.
Und so gingen sie in die Stadt, Elethan und Diam und Moad, Seite an Seite. Jeder Streit ward vergessen, denn das Ziel der Einheit war so nahe.

Die anderen Stämme hörten davon und zogen, einer nach dem anderen, ebenfalls in die Stadt ein und vermischten sich mit den anderen Stämmen. Die Freude war groß, doch zogen viele Jahre ins Land, in denen Elethan zum Manne wurde und in denen die Stämme zu einem Volk heran wuchsen. Und als die Zeit gekommen war, führte Elethan die Aijnan und Ahinjamuhr in eine bessere Welt, nach Hause.
Und so endeten die verlorenen Jahre.

Verfasst von Amrahn, Botschafter der Aijnan bei den Zwergen in Kazâritrim, im Jahre 2 ndW.
Das erste Mal vorgetragen im Jahre 2 ndW von Amrahn in der Schenke Leuchtpilz in Kazâritrim.

Dies ist eine Abschrift und kann in der Bibliothek Ahinjamuhrs eingesehen werden. Als Lied kann es auch vorgetragen werden. Noten und eine Übersicht der Musikinstrumente liegen bei.

Da niemand genau weiß, was in der Zeit bis zu dem letzten Krieg geschah, kann man dies ruhig als eine Sage betrachten. Jedoch Geschichten, Tatsachen und Gerüchte zufolge, die mittlerweile bekannt sind, wäre es im Bereich des Möglichen.