Der Kelmatik

(Eine Geschichte, wie sie auf Galat & Balapur erzählt wird. Es handelt sich eigentlich um eine Kindergeschichte, aber grade weil sie sich auch an Kinder richtet und trotzdem eine offenbare, tiefe Weisheit oder Absicht darin liegt, wird sie in Gelehrtenkreisen aller Völker noch heute heiß und oft diskutiert.)

Damals, als die Hügel Beliraks noch wirklich grün waren und die Stadt namens Jalena dort noch mit einer Mauer umkränzt war und nur etwa 1.500 Seelen zählte, lebte dort der Kelmatik.
Der Kelmatik war ein Galater. Aber er war nicht groß und hatte sogar einen Bart, also war er eigentlich ein Zwerg. Jedoch sprach er sanft, fließend und liebte die Blumen, die Bäume und alles Leben in seinem Garten, weswegen er wohl ein Elb war. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, war er aber auch alles. Doch das weiß heute keiner mehr und ob es überhaupt je einer wusste, das wird nicht berichtet.

Wie jeden Morgen, kurz nach dem Kunackschrei, ging der Kelmatik eines Tages hinaus in seinen Garten. Sein Haus lag im Süden der kleinen Stadt, die die Leute Jalena getauft haben, nach einem Kinde, das so schön wie die Göttin selbst war und hier das Licht der Welt erblickte und weil es so schön und ihr so ähnlich war, dachten die Galater, dass dies ein Ort ist, wo sie einfach eine Stadt gründen mussten. Das Haus lag also im Süden, der Garten aber schaute nach Norden hin.
Der Kelmatik war ganz entzückt darüber, denn so stand sein Haus im Zeichen des Sommers, aber auch im Zeichen des Winters wo der Garten lag. So stand sein Heim für das aufleben der Natur, wie auch für deren Schlaf.
Jeden Morgen nun schaute er nach seinen Pflanzen, goss sie im Sommer, wenn sie dürsteten und sprach ihnen Trost zu im Winter, wenn sie froren und manchmal sogar wärmte er sie mit seinem langen Bart. Eines Morgens aber sah er seine Amatibalé. Eine Blume von wunderschönem Antlitz. Einer Blüte so rotgelb wie die Sonne und der Sommer, einem Stängel weiß wie der Winter, fest verwurzelt wie die Zwerge, und doch zerbrechlich wie die Galater und einem inneren Glanz, den man zuweilen nur bei den Elben sehen kann. Jedoch ließ sie ihr hübsches Köpflein hängen und der Kelmatik versuchte ja alles, goss sie, wärmte sie, und sang ihr sogar etwas vor, aber nichts, rein gar nichts half und das Köpflein der Amatibalé hing weiter hinab.
Nun wissen wir ja, dass Pflanzen nicht sprechen können, auch wenn die Elben immer wieder etwas anderes behaupten und so konnte der Kelmatik sie gar nicht fragen, was denn mit ihr los sei, wie auch sie ihm nicht sagen konnte, was ihr fehlte. Der Kelmatik war nicht glücklich darüber und deswegen verließ er sein Haus und ging in die Stadt hinaus. Vielleicht würde er dort ja eine weise Frau, oder einen weisen Mann finden und sie würden ihm sagen können, was mit seiner Amatibalé ist und wie sie wieder geheilt werden kann.

Aber Stunde um Stunde verging und egal wen auch immer er fragte, ob Frau oder Mann, niemand konnte ihm sagen, warum die Amatibalé ihren Kopf hängen ließ, geschweige denn, was er denn nun dagegen machen könne. Nur ein Kind meinte, dass es doch eine Blume der Sonne sei und deswegen die Wärme der Sonne selbst die Amatibalé heilen würde. Aber die Wärme der Sonne kann der Kelmatik ja nicht hinab holen, dachte er sich und so ging er wieder nach Hause, packte seine acht Sachen, ging hinaus in den Garten und verabschiedete sich von all seinen Pflanzen und allem Leben, was in seinem Garten wohnte und sagte ihnen, dass er nun gehen würde, um jemanden zu suchen, der ihm hilft, die Amatibalé zu heilen. Und als die Sonne am Horizont versank, war der Kelmatik auf der Straße und ging, um seiner Blume zu helfen.

Die ganze Nacht lief der Kelmatik und keine Müdigkeit überkam ihn, denn er hatte sich geschworen nicht eher zu ruhen, bis das er der Amatibalé geholfen hatte. So kam er des Morgens auf ein Gebirge zu, das er zuvor noch nie gesehen hatte, denn auch seine Füße haben ihn noch nie so weit von seinem Haus hinfort getragen. Das Gebirge war hoch und sah stark aus und in seinem Herzen wusste der Kelmatik, dass dort bestimmt eine Sippe der Zwerge leben würde und vielleicht konnten die Zwerge ihm ja helfen. Deswegen ging er so schnell wie seine Füße konnten und so grade, wie seine Augen sehen konnten auf das Mark der Erde zu.

Und wie er es geahnt hatte, fand er bald darauf ein gewaltiges Tor, das in das Herz des Gebirges führte, bewacht von Zwergen in starken Rüstungen. Auf diese schritt er ohne Scheu zu und fragte nach dem weisesten aller Zwerge. Und weil der Kelmatik in den Augen der Zwerge einer von ihnen sein könnte, ließen sie ihn vor und führten ihn zum ältesten und weisesten der Zwerge im Berg.
Dort erzählte der Kelmatik sein Leid mit der Amatibalé und auch was das Kind in Jalena zu ihm gesagt hatte. Da überlegte der alte Zwerg lange, denn er hatte Mitleid mit dem Kelmatik bekommen. Und als draußen oft die Sterne auf den Berg hinab geschienen hatten, begann er endlich zu sprechen und meint zu Kelmatik, dass die Pflanze tief in ein Gebirge müsse, um die Kraft der Erde spüren zu können und neue Kraft aus dem Gebein der Welt zu ziehen. Aber dem widersprach der Kelmatik, denn die Amatibalé ist eine Blume der Sonne und auch wenn sie unter dem Berg die nötige Kraft finden würde, so hätte sie dort doch keine Sonne und sie würde eingehen.
Aber nichts anderes wusste der alte Zwerg zu berichten und weil auch dieser Rat nicht der richtige zu sein schien, zog der Kelmatik weiter. Hinaus aus dem Berg und fort von den Zwergen, um anderen, besseren Rat zu suchen und hoffentlich auch zu finden.

So ging der Kelmatik weiter. Viele Tage zog er durch das Land, sprach mit diesem und jenem, aber keiner konnte ihm Rat geben. Keiner vermochte ihm zu sagen, wie er der Amatibalé helfen konnte.
Eines Tages aber ging er auf einen riesigen Wald zu und in seinem Herzen spürte er, dass hier Elben leben würden und diese waren Kenner aller Pflanzen und würden ihm bestimmt helfen können. So ging er tief in den Wald hinein und dort fand er wirklich Elben. Diese brachten ihn bis zur Königin des Waldes und als sie die Geschichte von Kelmatik hörte, bekam sie Mitleid und lud ihn ein, ihr Gast zu sein, bis sie sich mit den Weisen der Elben würde unterhalten haben, um ihm Rat zu geben in seinem Leid.
So zog die Sonne viele male über den Himmel und er war Gast bei den Elben, denn obwohl er klein war und einen Bart trug, so sahen sie doch das elbische Licht in ihm und waren ihm gut Freund. Eines Tages nun wurde er vor die Königin gerufen und sie sprach mit einem Lächeln zu ihm: „Kelmatik, so freue dich, denn wir haben die Lösung gefunden. Du musst der Amatibalé das Lied der Freude singen, welches wir dich lehren werden und dann mit der Amatibalé gemeinsam die letzte Strophe in der Sprache der Pflanzen singen und alles wird Gut werden.“ Da sprach Kelmatik: „Oh Königin, oh Königin, welch ein weiteres Leid, denn ich kann die Sprache der Pflanzen nicht und niemals werde ich sie erlernen können.“ Da weinte der Kelmatik und die Elben weinten mit ihm, denn sie erkannten und verstanden das tiefe Leid ihn ihm und doch vermochten sie es nicht zu lindern, geschweige denn zu besiegen.
Da nahm der Kelmatik Abschied und zog wieder hinaus, um vielleicht doch noch Rat zu finden, den er auch erfüllen kann.

Tag um Tag und Jahr um Jahr vergingen so und mit unzähligen Sprach der Kelmatik, aber niemand vermochte ihm Rat zu geben, sei es, weil der Kelmatik meinte, dies nicht zu können, oder sei es, weil der Rat vielleicht Linderung auf der einen, aber Verfall auf der anderen Seite bringen würde.

Und eines Tages, als seine Verzweiflung groß war und er schon umkehren wollte, traf er mitten auf dem Wege eine wunderschöne Frau. Sie war getaucht in ein helles, strahlendes Licht, das ihm trotzdem nicht in den Augen schmerzte. Und sie war eine Galaterin, eine Elbin und Zwergin, eine Fee und eine Drachin, eine Vicya und alles Leben der Welt schien in ihr zu sein. Und sie nahm in bei der Hand und lächelt ihn an und ihre Stimme war wie Wein und Honig, süßer und lieblicher als alles andere auf der Welt und ihre Worte drangen tief in ihn und keines würde er je vergessen, so lange sein Leben auch andauern würde. So sprach sie zu ihm: „Kelmatik, oh Kelmatik, so lange suchst du schon um zu helfen, so lange willst du Leid in Freude wandeln. Dein Leid und das Leid der Amatibalé. Doch was suchst du denn wirklich? Hast du nicht schon gefunden? Weißt du denn nicht? Gehst du nur um des gehen Willens? Oder Willst du gehen, weil du nicht weißt zu tun?“
Und mit diesen Worten verschwand sie vor ihm und nie mehr sollte er sie wieder sehen.

Vollkommen verwirrt blieb der Kelmatik zurück und fand keinen Reim auf ihre Worte. Trotzdem war sein Herz nun lichter und Freude und Hoffnung keimte wieder in ihm auf. Trotzdem zog er weiter, auf der Suche nach Rat um die Amatibalé und um der Worte der Frau wegen. Und nie mehr sah Jalena den Kelmatik wieder… .

Doch oft kommt der Kelmatik unter anderem Namen in anderen Geschichten vor und immer war er der Suchende und nie ward ihm zuteil ein endgültiger Rat. Selbst heute soll er noch umhergehen und vielleicht wird er auch einmal an deine Türe klopfen und dich um Rat fragen, wie das Köpflein der Amatibalé wieder zu richten sei, oder ob du die Worte der Frau deuten kannst. Weißt du es? Kannst du es?

Anmerkungen